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Gregorianischer Kalender und die Regel für die Schaltjahre

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Welche Regel eignet sich am besten zum Festlegen der Schaltjahre? Warum verwendet die geltende Schaltjahrregel Zeitintervalle von 4, 100 und 400 Jahren?

Unser Kalender benötigt eine Schaltjahrregel, weil ein Jahr nicht aus einer ganzen Zahl von Tagen besteht. Genauer ausgedrückt ist die Länge des für das tägliche Leben entscheidenden tropischen Jahres (nach der neuen Definition der Internationalen Astronomischen Union 1955) ungefähr 365,24219 mittlere Sonnentage lang.

Teilen wir das Kalenderjahr in nur 365 Tage ein, ist es etwa um 1/4 Tag zu kurz. Schon nach etwa 750 Jahren ergibt sich eine Verschiebung von einem halben Jahr relativ zum tropischen Jahr und der Hochsommer wäre im Januar. Da die Jahreslänge relativ genau 1/4 Tag mehr als 365 Tage beträgt, liegt es nahe, alle 4 Jahre einen Tag einzufügen, so dass dieses Schaltjahr dann 366 Tage hat. Der Julianische Kalender besaß genau diese Schaltjahrregel. Er galt von 45 v. Chr. bis 1582 n. Chr. Wie man leicht sieht, war nun das mittlere Jahr des Julianischen Kalenders mit 365,25 Tagen um 0,00781 Tage oder etwa 11 Minuten zu lang. Dies führte während seiner Gültigkeitsdauer zu einer Verschiebung von fast 13 Tagen. Deshalb wurden mit der Einführung des Gregorianischen Kalenders im Jahre 1582 zehn Tage übersprungen. Damit wurden allerdings von den 13 Tagen nur die 10 Tage ausgeglichen, um die sich der Julianische Kalender gegenüber dem tropischen Jahr seit dem ersten Konzil von Nicäa (325 n. Chr.) verschoben hatte. Die restliche Verschiebung ließ man bestehen.

Die Schaltjahrregel im Gregorianischen Kalender besteht aus drei Schritten:

1. Die durch 4 teilbaren Jahre erhalten zusätzlich einen Schalttag.
Danach wären beispielsweise 2000, 2020 und 2100 Schaltjahre.
Die mittlere Länge eines Kalenderjahres erhöht sich dadurch um einen viertel Tag von 365 Tage auf 365,25 Tage.

2. Die durch 100 teilbaren Jahre bekommen diesen Schalttag wieder weggenommen.
Es bliebe im Beispiel nur 2020 als Schaltjahr übrig.
Im Durchschnitt verringert sich dadurch wieder die Länge des Kalenderjahres um 0,01 Tage von 365,25 Tage auf 365,24 Tage.

3. Schließlich wird bei den durch 400 teilbaren Jahren der Schalttag wieder zugefügt.
Damit ist schließlich neben 2020 auch 2000 wieder ein Schaltjahr.
Und die mittlere Länge des Kalenderjahres erhöht sich schließlich um 0,0025 Tage von 365,24 Tage auf 365,2425 Tage.

Das Kalenderjahr hat also im Durchschnitt (365 + 1/4 – 1/100 + 1/400) Tage = (365 + 97/400) Tage = 365,2425 Tage. Es ist damit nur noch 0,00031 Tage länger als das tropische Jahr. Eine Verlängerung von einem Tag wird erst nach über 3200 Jahren erreicht. Diese Zeit könnte man als sinnvolle Gültigkeitsdauer des Kalenders definieren. Der größte Nenner der drei Brüche bestimmt auch die Anzahl der Jahre, nach der sich der Rhythmus der Schaltjahre wiederholt. Der Gregorianische Kalender hat demnach eine Periodenlänge von 400 Jahren.

Der Gregorianische Kalender mit seiner Schaltjahrregel benötigt neben dem normalen Jahr nur eine Sorte von Schaltjahr. Dieses Schaltjahr mit seinen 29 Tagen im Februar hat auch nur genau einen Tag mehr. Dadurch verschiebt sich der Frühlingsanfang im darauf folgenden März auch nur um einen Tag. Es gibt deshalb nie Schaltjahre mit mehr als 366 Tagen, weil im zweiten Schritt der Regel nur Jahren ein Tag weggenommen wird, die schon einen Schalttag bekommen hatten. Im dritten Schritt wiederum bekommen nur Jahre Schalttage zugewiesen, die keinen mehr haben. Damit das funktioniert, muss die Periodenlänge einer Regel ein Vielfaches der Periodenlänge der vorhergehenden Regel sein. 100 Jahre sind ja das 25fache von 4 Jahren und 400 Jahre das 4fache von 100 Jahren. Außerdem müssen die einzelnen Schritte abwechselnd Schalttage hinzufügen und wieder wegnehmen.

Die größte Verschiebung im Gregorianischen Kalender ergibt sich, wenn die Zeitspanne bis zum nächsten Schaltjahr 8 Jahre beträgt, wie es beispielsweise zwischen 1896 und 1904 der Fall war. Die Verschiebung summiert sich zu 8 · 0,24219 Tage = 1,93752 Tage. Dieser Kalender hat also eine zeitliche Schwankung von etwas weniger als 2 Tagen. Von einem Mittelwert aus betrachtet beträgt die Verschiebung damit in beiden Richtungen etwas weniger als einen Tag.

Ist dies nun die beste Schaltjahrregel, die frühestens nach 3200 Jahren eine Verschiebung des Kalenderjahresanfangs von einem Tag bewirkt und die keine höhere zeitliche Schwankung aufweist?

Eine Möglichkeit wäre, den Bruch mit dem kleinsten Nenner zu suchen, der 0,24219 mindestens genauso gut annähert wie die Gregorianische Schaltjahrregel. Der gesuchte Bruch lautet 8/33 = 0,24242... und ist nur um 0,00023 größer als 0,24219.

Ein fiktiver Kalender müsste nach dieser Überlegung alle 33 Jahre 8 Schalttage einfügen und würde erst nach mehr als 4300 Jahren eine Verlängerung von einem Tag aufweisen. Um die zeitliche Schwankung klein zu halten, würde man die Schalttage möglichst gleichmäßig verteilen. Die gleichmäßigste Verteilung entstünde, wenn man siebenmal nach jeweils 4 Jahren und einmal nach 5 Jahren einen Schalttag einfügen würde. Die zeitliche Schwankung wäre dann sogar nur 5 · 0,24219 Tage = 1,21095 Tage. Diese Regel könnte also länger gelten, sie führt zu einer kleineren Schwankung und scheint auch noch einfacher zu sein. Trotzdem hätte dieser Kalender einen schwerwiegenden Nachteil. Selbst bei der Festlegung eines geeigneten Anfangstermins lässt sich nicht mehr auf einfache Weise aus einer Jahreszahl bestimmen, ob das entsprechende Jahr ein Schaltjahr ist. Der Grund liegt unter anderem darin, dass sich im Dezimalsystem keine hinreichend einfache Teilbarkeitsregel für 33 aufstellen lässt. Dagegen lassen sich Jahreszahlen schnell auf die Teilbarkeit der im Gregorianischen Kalender verwendeten Nenner 4, 100 und 400 untersuchen. Man kann Teilbarkeitsregeln als einfach definieren, bei denen nur die letzte Ziffer, die beiden letzten Ziffern oder die Quersumme auf Teilbarkeit untersucht werden muss. Demnach existieren einfache Teilbarkeitsregeln für 2, 3, 4, 5, 9, 10, 20, 25, 30, 40, 50, 90, 100, 200, 250, 300, 400, 500, 900, ... . Teilbarkeit durch 400 würde hier bedeuten, dass die Jahreszahl an den beiden letzten Stellen eine Null besitzen und die Zahl aus den restlichen Ziffern durch 4 teilbar sein müsste. Nach der obigen Definition ist die Teilbarkeitsregel für 4 einfach.

Gibt es als Annäherung an 0,24219 Brüche, für deren Nenner einfache Teilbarkeitsregeln existieren? Hier ist die Liste aller Brüche mit Nennern kleiner als 400, die keinen größeren Abstand von 0,24219 haben als der Bruch 97/400 des Gregorianischen Kalenders:

8/33, 15/62, 23/95, 31/128, 38/157, 39/161, 47/194, 53/219, 54/223, 55/227, 61/252, 63/260, 68/281, 70/289, 71/293, 77/318, 79/326, 82/339, 83/343, 84/347, 85/351, 86/355, 87/359, 91/376, 95/392.

Man sieht schnell, dass es für keinen dieser Nenner eine einfache Teilbarkeitsregel gibt. Alle Brüche mit Nennern unter 400 scheiden damit aus. Der Bruch mit dem kleinsten Nenner, der größer als 400 ist und die Forderung nach einer einfachen Teilbarkeitsregel erfüllt, ist 121/500 = 0,242. Er lässt sich sogar wieder so als Summe von Teilbrüchen darstellen, dass die daraus entstehende Regel neben dem normalen Jahr nur Schaltjahre mit einem Schalttag benötigt:

121/500 = 125/500 – 5/500 + 1/500 = 1/4 – 1/100 + 1/500

Die entsprechende Regel ähnelt der des Gregorianischen Kalenders sehr. Im dritten Schritt der Regel wird hier bei den durch 500 teilbaren Jahren wieder ein Schalttag eingefügt. Die Regel erfüllt auch alle oben aufgestellten Bedingungen (Wechsel von Hinzufügen und Wegnehmen von Schalttagen, ganzzahlige Verhältnisse der Periodenlängen und Verwendung einfacher Teilbarkeitsregeln). Es ergibt sich sogar erst nach über 5200 Jahren eine Verschiebung von einem Tag. Der Kalender könnte also länger gelten als der Gregorianische Kalender. Allerdings führt der Kalender nach 5200 Jahren zu einer Verkürzung um einen Tag. Die nächste Regel müsste also wieder einen Schalttag hinzufügen, was nach den oben beschriebenen Bedingungen nicht geht. Dieser Kalender wäre also im Gegensatz zum Gregorianischen Kalender nicht erweiterbar. Das wäre sein Nachteil.

Unter den oben genannten sinnvollen Randbedingungen ist der Gregorianische Kalender also der Beste.


Wie sähe die entsprechende Erweiterung des Gregorianischen Kalenders aus? Dazu muss man folgende Rechnung durchführen:

Kehrwert von 0,24219: 4,1290
Größte ganze Zahl, die kleiner als 4,1290 ist und für die einfache Teilbarkeitsregeln gelten: 4

Differenz von 0,24219 und 1/4: -0,00781
Kehrwert von -0,00781: -128,04
Kleinste ganze Zahl, die größer als -128,04 ist, die ein Vielfaches von 4 ist und für die einfache Teilbarkeitsregeln gelten: -100

Differenz von 0,00781 und -1/100: 0,00219
Kehrwert von 0,00219: 456,6
Größte ganze Zahl, die kleiner als 456,6 ist, die ein Vielfaches von 100 ist und für die einfache Teilbarkeitsregeln gelten: 400

Differenz von 0,00219 und 1/400: -0,00031
Kehrwert von -0,00031: -3226
Kleinste ganze Zahl, die größer als -3226 ist, die ein Vielfaches von 400 ist und für die einfache Teilbarkeitsregeln gelten: -2000

Das Minuszeichen vor den roten Zahlen bedeutet, dass hier die Schalttage weggenommen werden müssen. Mathematisch gesehen stellt die Rechnung eine modifizierte alternierende Stammbruchentwicklung dar. Die Erweiterung des Gregorianischen Kalenders bestünde also darin, an allen durch 2000 teilbaren Jahren die Schalttage wieder zu entfernen. Das würde im Jahre 4000 das erste Mal der Fall sein. Und weil 1/4 – 1/100 + 1/400 – 1/2000 = 0,24200 sind und sich als Differenz zu 0,24219 der Wert 0,00019 ergibt, würde der so erweiterte Gregorianische Kalender etwas mehr als 5000 Jahre gelten.

An dieser Stelle sollte auch die Gültigkeitsdauer aller Kalender erwähnt werden, die versuchen, sich der oben angegebenen Länge des tropischen Jahres anzunähern. Diese Länge ist nämlich nicht konstant, sondern sie nimmt momentan pro Jahrhundert um etwa 0,5 Sekunden ab. Pro Jahr verkürzt sich also das tropische Jahr ungefähr um 0,005 Sekunden. In 5000 Jahren ist es etwa um 25 Sekunden kürzer als heute. Diese Verkürzung führt zu einer zunehmenden Verschiebung zwischen den Anfängen der tropischen Jahre und der Gregorianischen Kalenderjahre. Da die Verkürzung der tropischen Jahre in etwa gleichmäßig erfolgt, kann man die Verschiebung nach 5000 Jahren ausrechnen, indem man 5000-mal eine mittlere Verkürzung der tropischen Jahre von 12,5 Sekunden annimmt. Diese Verschiebung beträgt dann etwa 62.500 Sekunden oder knapp einen Tag. Eine wesentlich längere Gültigkeitsdauer als 5000 Jahre macht deshalb für Kalender mit festen Regeln keinen Sinn.


Der Gregorianische Kalender ist natürlich an die Bedingungen auf der Erde angepasst. Man kann die entsprechenden Überlegungen aber auch auf andere Planeten anwenden. Als Beispiel sei hier die entsprechende Schaltjahrregel für den Mars erwähnt. Das tropische Marsjahr besteht aus 668,5907 marsianischen Sonnentagen. Verlangt man, dass die Schaltjahrregel für den Marskalender mindestens die gleiche Genauigkeit wie der Gregorianische Kalender für die Erde besitzt, dann findet man mit Hilfe der obigen Rechnung Perioden von 2 Jahren, 10 Jahren, 100 Jahren und 1000 Jahren.

Die Schaltjahrregel für einen Marskalender wäre also etwas komplizierter und bestünde aus vier Schritten:

1. Die geraden Jahre bekommen einen Tag weggenommen, den Schalttag.
2. Bei den durch 10 teilbaren Jahren wird der Schalttag wieder zugefügt.
3. Die durch 100 teilbaren Jahre bekommen diesen Schalttag wieder weggenommen.
4. Schließlich wird bei den durch 1000 teilbaren Jahren der Schalttag wieder zugefügt.

Das Mars-Kalenderjahr wäre damit um 0,00030 Marstage zu lang und der Marskalender deshalb praktisch so genau wie der Gregorianische Kalender.

Zum Schluss sei noch eine nicht uninteressante Bemerkung angefügt. Die Schaltjahrregel des Gregorianischen Kalenders ist mit dem Dezimalsystem verknüpft, weil sie als ein wesentliches Element die einfachen Teilbarkeitsregeln ausnutzt. Diese Teilbarkeitsregeln hängen aber von den Eigenschaften des verwendeten Zahlensystems ab. Würden die Menschen ein anderes Zahlensystem benutzen, ergäbe sich auch eine andere Schaltjahrregel. Beispielsweise würde man im Hexadezimalsystem nur eine Regel mit zwei Schritten benötigen. Trotzdem wäre diese Regel wesentlich genauer. Alle durch 4 teilbaren Jahre bekämen einen zusätzlichen Schalttag und bei allen durch 128 teilbaren Jahren würde er wieder weggenommen. Die Dezimalzahl 128 entspricht der Hexadezimalzahl 80 und damit der Hälfte der hexadezimalen Zahl 100. Ein Kalender mit dieser Regel hätte demnach eine mittlere Jahreslänge von (365 + 1/4 – 1/128) Tagen = 365,24219 Tagen und wäre damit praktisch genau so lang wie das aktuelle tropische Jahr.


Links zum Thema:

Gertraud Schuster: Abzählungen der rationalen Zahlen und Kettenbrüche


Copyright © Werner Brefeld (2006; Originalquelle)