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Fußball, Platonische Körper und Archimedische Körper

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Mathematik im Alltag, verblüffende Mathematik-Rätsel, Stochastik und Polyeder, irdisches und außerirdisches Leben


Welcher platonische Körper oder archimedische Körper eignet sich am besten als Fußball? Warum besteht der Fußball oft aus 20 regelmäßigen Sechsecken und 12 regelmäßigen Fünfecken?

Meistens wird ein Fußball aus Lederstücken zusammengenäht, die die Form von regelmäßigen Vielecken besitzen. Dabei wählt man eine regelmäßige Anordnung der Vielecke. Das bedeutet, dass jede Ecke, an der die Vielecke zusammenstoßen, gleich aussieht. Körper mit nur einer Sorte von regelmäßigen Vielecken auf ihrer Oberfläche nennt man platonische Körper, Körper mit mehr Sorten archimedische Körper. Bei jedem Körper liegen die Eckpunkte auf einer Kugeloberfläche. Sie besitzen also eine Umkugel. Das macht sie als Kandidaten für die Herstellung eines Fußballs sehr attraktiv.

Es gibt 5 platonische Körper und 13 archimedische Körper, wenn man die Prismen und Antiprismen nicht mitzählt. Unter diesen 18 Körpern wählt man nun die aus, die möglichst rund sind, bei denen das Verhältnis von Inkugelradius zu Umkugelradius also möglichst groß ist. Während sowohl platonische Körper als auch archimedische Körper Umkugeln besitzen, haben streng genommen nur platonische Körper Inkugeln. Bei den archimedischen Körpern besitzt jede Sorte von regelmäßigen Vielecken eine andere Inkugel. Alle diese Inkugeln haben aber den gleichen Mittelpunkt. Die Inkugel mit dem jeweils kleinsten Inkugelradius wurde bei den Berechnungen zugrunde gelegt. Die nach der obigen Definition rundesten vier Körper sind ausschließlich archimedische Körper:

KörperInkugelradius/Anzahl derAnzahl derAnzahl der
UmkugelradiusFlächen Flächen Kanten
pro Ecke
 
Rhombenikosidodekaeder 92,46% 4 62120
abgeschrägtes Dodekaeder 91,89% 5 92150
abgestumpftes Ikosaeder 91,50% 3 32  90
abgestumpftes Ikosidodekaeder90,49% 3 62180


fussball

Auch die unendlich vielen Prismen und Antiprismen sind nicht annähernd so rund wie diese vier archimedischen Körper. Außerdem werden die Prismen und Antiprismen mit steigender Eckenzahl der beiden sich gegenüberliegenden Vielecke immer dünner und dadurch das Verhältnis von Inkugelradius zu Umkugelradius immer kleiner.

Es ist nachteilig, viele Flächen an einer Ecke zusammennähen zu müssen. Daher wird man unter den rundesten Körper diejenigen bevorzugen, bei denen nur drei Flächen an einer Seite zusammentreffen. Außerdem ist es vorteilhaft, wenn der Körper nicht zu viele Flächen und Kanten besitzt. Durch die Zahl der Kanten wird ja die Zahl der benötigten Nähte bestimmt. Unter Berücksichtigung dieser Randbedingungen fällt die Wahl auf das abgestumpfte Ikosaeder mit seinen 12 regelmäßigen Fünfecken und 20 regelmäßigen Sechsecken.

Ein weiterer Aspekt ist, dass die durch die unterschiedlichen regelmäßigen Vielecke hervorgerufenen Unterschiede in den Abweichungen von der Kugelform möglichst klein ausfallen sollen. Das ist dann der Fall, wenn sich die regelmäßigen Vielecke auf der Oberfläche in ihrer Größe möglichst wenig unterscheiden. Auch hier schneidet das abgestumpfte Ikosaeder mit seinen Fünfecken und Sechsecken unter den rundesten archimedischen Körpern am besten ab.

Tatsächlich haben auch fast alle Fußbälle die Grundform eines abgestumpften Ikosaeders. Selten kann man auch einen Fußball in Form eines Rhombenikosidodekaeders mit seinen 20 regelmäßigen Dreiecken, 30 Quadraten und 12 regelmäßigen Fünfecken antreffen. Die Web-Seite über Platonische Körper und Archimedische Körper enthält weitere Informationen über diese interessanten Polyeder.

Man kann ein abgestumpftes Ikosaeder nach der oben angegebenen Definition noch runder machen kann, wenn man die Fünfecke weiter vergrößert, indem man das Ikosaeder weiter abstumpft. Das ist möglich, weil die kleinste Inkugel nur die Sechsecke berührt. Eine weitere Abstumpfung führt dann dazu, dass sich die Fünfecke dieser Inkugel annähern. Bis zur Berührung der Inkugel durch die Fünfecke ändert sich also der kleinste Inkugelradius nicht, während der Umkugelradius abnimmt. Der Körper wird also runder. Allerdings verändert sich dann das regelmäßige Sechseck zu einem Sechseck, das abwechselnd verlängerte und verkürzte Seiten besitzt. Die verlängerten Seiten sind natürlich genauso lang wie die Fünfeckseiten, an denen sie angrenzen. Eine entsprechende Rechnung ergibt, dass dann die verkürzten Sechseckseiten 69,198% der Länge der Fünfeckseiten haben.

Für den so entstandenen optimierten Fußball vergrößert sich das Verhältnis von kleinstem Inkugelradius zu Umkugelradius von 91,50% auf 92,26%. Damit ist dieser Körper sogar noch runder als das abgeschrägte Dodekaeder mit 91,94% und fast so rund wie das Rhombenikosidodekaeder mit 92,46%.

Gelegentlich wird auch der sogenannte "Große Fußball" (siehe Abbildung) als Möglichkeit genannt, einen Fußball herzustellen. Dieser Körper besitzt 12 Fünfecke und 30 Sechsecke, also insgesamt 42 Flächen. Die Anzahl der Kanten beträgt 120. Man erhält so ein Polyeder, wenn man die Kanten eines Dodekaeders geeignet abschneidet.


grosser fussball


Allerdings ist dieses Polyeder kein archimedischer Körper, weil seine 30 Sechsecke nicht regelmäßig sind. Wären sie regelmäßig, müssten jeweils drei Sechsecke, die an einer Ecke zusammenstoßen, eine ebene Fläche bilden, weil die Winkelsumme ihrer Innenwinkel 360° betrüge. Man erkennt, dass dann sogar alle Sechsecke des "Großen Fußballs" auf einer Ebene liegen müssten. Tatsächlich sind jedoch die Innenwinkel an der Stelle, wo drei Sechsecke zusammenkommen, nicht 360°/3 = 120°, sondern 2 · arctan(½ + ½·√5) = 116,565°. Die vier übrigen Innenwinkel sind gleich und betragen 121,7175°. Im Gegensatz zu einem archimedischen Körper besitzt der "Große Fußball" keine eindeutig definierte Umkugel.


Links zum Thema:

Wikipedia: Archimedischer Körper - Wikipedia
Jürgen Köller: Abgestumpftes Ikosaeder
Arndt Brünner: Platonische Körper und Archimedische Körper


Copyright © Werner Brefeld (2005; Originalquelle)